BESCHLUSS
Sachlage:
Die Frauenbewegung hat einen Prozess angestoßen, der in Kirche und Gesellschaft zu mehr Partnerschaft und Teilhabe geführt hat. Dennoch stellt die geforderte „Geschlechtergerechtigkeit“ nach wie vor eine besondere Herausforderung für die Kirche dar.
Ausdruck des Entwicklungsprozesses sind das Bischofswort von 1981 „Zu Fragen der Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft“ und das Sozialwort der beiden Kirchen von 1997 „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“:
Im Bischofswort werden Frauen ausdrücklich dazu ermutigt und bestärkt ihre Verantwortung genauso wie in der Familie, auch im öffentlichen Leben, in Staat, Gesellschaft und Kirche wahrzunehmen. Besonders wichtig ist hier die Zusage, dass „die Kirche Modell für das gleichwertige und partnerschaftliche Zusammenleben und -wirken von Männern und Frauen“ sein soll.
Im Sozialwort wird konkret gefordert, dass „Berufe, in denen überwiegend Frauen tätig sind, in finanzieller und gesellschaftlicher Hinsicht aufgewertet werden“ und dass „Maßnahmen zu unterstützen sind, die den Anteil der Frauen in Entscheidungspositionen im Bildungswesen, in den Medien, in Wirtschaft und Gesellschaft und Politik sowie in der Kirche erhöhen.“
Inwieweit Kirche in Liturgie, Diakonie, Verkündigung und als Arbeitgeberin ein partnerschaftliches Miteinander gelingt, ist der Anspruch, an dem sie sich messen lassen muss, denn ein partnerschaftliches Miteinander von Frauen und Männern in der Kirche ist eine Frage der Gerechtigkeit, um die wir uns als Christinnen und Christen bemühen.
Die Erfahrungen von Frauen sind - wie auch das Pastorale Diözesanforum im Erzbistum Berlin gezeigt hat – leider anderer Art.
- Der Bezug zu weiblicher Spiritualität, feministischer Theologie und weiblichem Gottesbild sind nicht selbstverständlich in Gottesdienst, Predigt und kirchlichen Verlautbarungen. Sie kommen nur vor, wenn dies von aufgeschlossenen Priestern und/oder sehr engagierten Frauen ermöglicht wird.
- In kirchlichen Institutionen sind in vielen Arbeitsbereichen mehr als 70% Frauen tätig. Auffällig dabei ist, dass Frauen überwiegend in den unteren und mittleren Einkommensgruppen zu finden sind. Wenn Frauen in Entscheidungssituationen nicht mit einbezogen werden, hat dieses Folgen für die Prioritätensetzung und für die zukünftige Gestalt der Kirche. Die Kirche ist jedoch auf das Fachwissen, die Qualifikation und die Zustimmung von Frauen angewiesen.
Beschluss:
Die Vollversammlung des Diözesanrates beschließt, dass der Diözesanrat des Erzbistums Berlin sich konsequent für den Weg der Geschlechtergerechtigkeit einsetzen wird, um ein nachhaltiges Zeichen zu setzen.
Wir fordern für das Erzbistum Berlin die Entwicklung eines kirchlichen Leitbildes, das die Geschlechtergerechtigkeit zum zentralen Merkmal für alle Reformen hat. Es geht um einen Perspektivenwechsel für Männer und Frauen. Beide Geschlechter dürfen nicht länger auf bestimmte Bilder festgelegt werden.
1) Kirche als Arbeitgeberin:
Gleichstellung sollte ein unentbehrliches Ziel in der Organisationsentwicklung und Personalplanung für das Erzbistum Berlin sein und muss explizit als eine Leitungsaufgabe akzeptiert werden. Bei der Planung, Durchführung und Bewertung aller Vorhaben und Maßnahmen sollten die unterschiedlichen Voraussetzungen, Blickwinkel und Bedürfnisse von Frauen und Männern von Anfang an mitbedacht werden und das Ziel der Gleichstellung als entscheidender Maßstab dienen. Dazu müssen neue Beteiligungsmodelle entwickelt werden.
Um klar zu machen, dass es sich bei der Gleichstellung von Frau und Mann um eine Querschnittsaufgabe handelt, soll die Personalabteilung des Erzbistums eine sichere Personalbestandsstatistik aufbauen, in der der Anteil von Frauen und Männern nach folgenden Kriterien festgestellt wird: Funktion, Vergütungsgruppe, Vollzeit- bzw. Teilzeitbeschäftigung, Lebens- und Dienstalter, Beurlaubungen, Ausbildungen nach Ausbildungsberufen, Teilnahme an Fort- und Weiterbildungen.
Ferner sollte eine Bewerbungsstatistik angelegt werden, die den Anteil von Frauen an Bewerbungen, Vorstellungsgesprächen, Einstellungen und beruflichem Aufstieg ausweist.
Um den Frauenanteil in den Bereichen zu erhöhen, in denen sie bislang unterrepräsentiert sind, ist die paritätische Besetzung der Stellen anzustreben. Dies gilt vorrangig und insbesondere in den mittleren und oberen Einkommensgruppen. Bis ein Anteil von 50% Frauen bei den nicht zwingend mit dem Priesteramt verbundenen Stellen erreicht ist, sollen bei Neueinstellungen bei gleicher Qualifikation bevorzugt Frauen berücksichtigt werden.
„Lebenslanges Lernen“ ist eine herausragende Schlüsselqualifikation für Frauen und Männer. Frauen muss verstärkt, bis zur Erreichung der Parität, ein gezieltes Angebot zur Aufstiegsqualifizierung zur Verfügung gestellt werden.
Die kirchlichen Einrichtungen des Erzbistums Berlin sollen zum Vorbild für beispielhafte Arbeitsbedingungen für Frauen und Männer werden. Dazu gehören ein qualifiziertes Kinderbetreuungsangebot für alle Altersgruppen wie auch geschützte flexible Arbeitsverhältnisse, auch in Führungspositionen.
Bislang nehmen nur 2% der Männer die Möglichkeit der Elternzeit wahr. Hier gilt es, eine geschlechtergerechte Aufteilung der Elternzeit zu organisieren und auch Männer für diesen Lebensabschnitt zu motivieren.
2) Frauenbeauftragte
Der Erzbischof von Berlin wird gebeten, eine hauptamtliche Frauenbeauftragte einzusetzen und mit den erforderlichen Kompetenzen auszustatten, d.h. es sollte bindende Selbstverpflichtungserklärungen, Richtlinien, Dienstvereinbarungen geben.
Zu den Aufgaben des Amtes sollten gehören:
- Entwicklung von Beteiligungsmodellen
- Befragung von Mitarbeiter/innen zur beruflichen Situation und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie
- Erarbeitung von Frauenförderplänen in Zusammenarbeit mit dem Institut für Fort- und Weiterbildung an der Katholischen Fachhochschule Berlin
- Beratung des Anstellungsträgers bei Gleichstellungsfragen
- Beratung von Einzelnen, Gruppen und Gremien.
3) Bewusstseinsarbeit
Um das Leitbild der Geschlechtergerechtigkeit auf allen Ebenen zu verankern, bedarf es einer Bewusstseinsschärfung in folgenden Bereichen, die bereits im Papier „Frau in der Kirche“ des Diözesanen Pastoralforums beschlossen wurden.
Bei der Aus- und Weiterbildung für:
- Priester und insbesondere für Priesteramtskandidaten
- Leitungsebene im Ordinariat des Erzbistums
- Religionspädagoginnen und Religionspädagogen
- Pfarrgemeinderatsmitglieder
- Geistliche Leiter und Leiterinnen in Verbänden und Pfarreien
In kirchlichen Institutionen:
- Lehrplankommission für den Katholischen Religionsunterricht (Stichwort: Integration der feministischen Theologie)
- Kirchenzeitung und andere kirchliche Medien
- Liturgiekommission (Stichwort: Überprüfung der liturgisch relevanten Texte, bzw. Überarbeitung)
4) Umstrukturierungen als Reaktion auf die Finanzsituation
Bei den bevorstehenden Umstrukturierungsprozessen ist der Geschlechtergerechtigkeit hohe Priorität einzuräumen.