Meldung

+ Prof. Dr. Hans Joachim Meyer

Gemeinsamer Nachruf von Erzbischof Dr. Heiner Koch und der Diözesanratsvorsitzenden Dr. Karlies Abmeier für das Erzbistum Berlin

Mit dem Tod von Prof. Dr. Hans Joachim Meyer verliert das Erzbistum Berlin einen überzeugten Katholiken, dessen Leben von der Auffassung geprägt war, dass man dem Glauben entsprechend in Kirche und Gesellschaft handeln solle. Die Beziehung zu seiner Kirche mit allen Höhen und Tiefen war ihm zeitlebens wichtig. So war sein vielfältiges, lebenslanges Engagement ganz der Sorge um den Menschen und der Kirche gewidmet. Doch endete es nicht an den Kirchenmauern, sondern entfaltete sich mit viel Beharrlichkeit und einem langen Atem in Gesellschaft und Politik, wie die verschiedenen Stationen seines Lebens in Beruf und Ehrenamt zeigen.                                                                                    

In der DDR geriet er wegen dieser Grundeinstellung schon bald in Konflikte mit dem SED-Staat, sodass er von der Akademie in Potsdam, wo er ein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften begonnen hatte, 1958 relegiert und in die Produktion in den VEB Lokomotivbau in Babelsberg geschickt wurde. 1959 konnte er das Studium der Anglistik und Geschichte an der Humboldt-Universität aufnehmen, wo er 1981 als Sprachwissenschaftler habilitierte.

Doch auch schikanierende Erfahrungen durch ein totalitäres Regime, das systematisch christliches Leben zu behindern suchte, konnten ihn nicht davon abhalten, sich für die Förderung des Menschlichen einzusetzen und sich zur Kirche zu bekennen. Diese Benachteiligungen haben ihn– im Gegenteil – in seinem Vorhaben noch bestärkt. Schon früh engagierte er sich in der Studentengemeinde. Das Zweite Vatikanische Konzil habe ihn „bewegt, bestärkt und innerlich vorangebracht, wie nichts vorher und nichts mehr seitdem“, bekannte er in seiner autobiographischen Schrift „In keiner Schublade“. Daraus folgte sein Engagement im Pfarrgemeinderat, dem er mit seiner Frau Irmgard gemeinsam angehörte. Sein Weg führte ihn dann über den Dekanatsrat, die Konferenz der Dekanatsräte in den Ostberliner Pastoralrat, in dem er einer der drei Vorstandsmitglieder wurde.

Prägend war die Mitgliedschaft in der Dresdner Pastoralsynode 1973 bis 1975, in die der Pastoralkongress im Ostteil des Bistums Berlin ihn 1972 gewählt hatte. Für ihn war sie „eine kostbare und weiterwirkende Lektion in praktizierter Freiheit“, eine Erfahrung, die DDR-Katholiken nur in der Kirche machen konnten.

Weitere Stationen waren das Dresdner Katholikentreffen 1987 und die katholische Teilnahme an der Ökumenischen Versammlung. 1989 wurde auch unter katholischen Laien der Wille zu mehr Aktivitäten in der Gesellschaft immer lauter. Meyer engagierte sich zunächst in seiner Gemeinde in Babelsberg, dann aber auch weit darüber hinaus, um die an verschiedenen Stellen entstehenden Gruppen katholischer Laien zu vernetzen und zu bündeln. Daraus entstand die „Aktion Katholischer Christen“. Um ein wirkungsvolles öffentliches Engagement katholischer Laien zu ermöglichen, das seit der Zeit des Nationalsozialismus im Gebiet der DDR verschüttet war, strebte er einen DDR-weiten Zusammenschluss an, der mit der Gründung des „Gemeinsamen Aktionsausschuss katholischer Christen“ verwirklicht wurde. Vorsitzender wurde Hans Joachim Meyer. Der wichtigste Text dieses Gremiums ist der Aufruf zu den Wahlen zur Volkskammer am 18. März 1990, der ersten freien Wahl seit 1946. Zum Katholikentag 1990 in Berlin veröffentlichte der Aktionsausschuss mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) die „Berliner Erklärung deutscher Katholiken: Für eine gemeinsame Zukunft in Deutschland Europa und in der Einen Welt“. Mit der Wiedervereinigung und dem Zusammengehen der Bischofskonferenzen in Ost und West wurde auch Vertreter des Gemeinsamen Aktionsausschusses in das ZdK aufgenommen.

Ein wesentliches Projekt war die Gründung der Katholischen Akademie in Berlin, die Meyer mit Vehemenz vorantrieb. Es sollte ein Forum für Kirche und Gesellschaft sein, das auf das gesamte Gebiet der bisherigen DDR ausstrahlen sollte. Mit vielen Beiträgen auf Tagungen hat er das Gesicht der Akademie geprägt, viele Jahre war er zweiter Vorsitzender des Trägervereins.

Im ZdK wurde Meyer 1990 Mitglied im Geschäftsführenden Ausschuss, 1992 Vizepräsident und 1997 zum Präsidenten gewählt. Er war der erste Ostdeutsche in dieser Position und hat maßgeblich für das Zusammenwachsen unter den Katholiken gewirkt, indem er sich auch für gute Startbedingungen für ostdeutsche Delegierte einsetzte und ihren Beitrag zur Wiedervereinigung hervorhob.

Ein prägendes Ereignis war der erste Ökumenische Kirchentag 2003 in Berlin, der dank seines Einsatzes und seiner Anstrengungen auch für das Erzbistum Berlin von großer Bedeutung war. Sein ökumenisches Engagement bezeichnet er einmal als „die schönste und immer wieder ermutigende Erfahrung“ seiner Präsidentschaft.

Bereits in den Zeiten des politischen Umschwungs war ihm das Zusammenwirken mit evangelischen Christen wichtig, er legte aber dennoch Wert darauf, dass auch Katholiken ein eigenes Profil entwickelten und erkennbar bleiben. Ihm waren „behutsames Umgehen und Rücksichtnahme ein wirklich guter Ausdruck von ökumenischer Gesinnung“.

Für all sein lebenslanges, vielfältiges und vorbildliches Engagement verlieh ihm Papst Franziskus 2017 den Gregorius-Orden.

Bis ins hohe Alter blieb er aktiv. „Die Freude am Streit hat mich aber noch nicht verlassen“ bekannte er aus Anlass seines 80. Geburtstages und focht für seine Überzeugungen. Nicht zuletzt aufgrund seiner ostdeutschen Biographie schmerzte ihn der Umbau der Sankt Hedwigs-Kathedrale, die für viele Ostdeutsche seit ihrer Wiedereinweihung nach der Kriegszerstörung zu einem Identifikationsort geworden war. Er sah in ihr „ein Symbol gegen die deutsche Teilung“, weil Künstler aus Ost und West gemeinsam daran gewirkt hatten. Dass es ihm nicht gelungen ist, seine Auffassungen mehrheitsfähig zu machen, sah er als Hinweis auf ein negatives Erbe der DDR, das Katholiken nicht ermutigte, ihre Positionen wirkungsvoll zu vertreten.

In vielen anderen Positionen hat sich seine Position im ZdK und im Laienkatholizismus durchgesetzt. Insbesondere sein stetiger Appell, „aktiv in der Gesellschaft den Glauben zu bezeugen“ ist unvergessen. Die Hauptaufgabe sei es, „in die Gesellschaft zu wirken“. Dabei hatte er vor allem die Familien-, Bildungs- und Sozialpolitik im Blick.

Aber auch innerkirchlich hat er Stellung bezogen und sich schon früh für die Aufhebung des Pflichtzölibats und die Zulassung von Frauen zu Weiheämtern ausgesprochen. Sein unerschrockener Mut, seine Hartnäckigkeit und seine klaren Stellungnahmen werden Ansporn bleiben, eigenverantwortlich als Laien im politischen und gesellschaftlichen Leben zu handeln. Sein Wirken und seine Gradlinigkeit haben Spuren hinterlassen, die bleiben.

Das Requiem wird am Freitag, den 12. April, um 9.30 Uhr in St. Antonius, Potsdam-Babelsberg, gefeiert.

Dr. Karlies Abmeier ist Vorsitzende des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum Berlin und war Assistentin von Prof. Meyer als ZdK-Vorsitzender u.a. während des Ökumenischen Kirchentags 2003 in Berlin.

Erzbischof Dr. Heiner Koch ist Erzbischof von Berlin und Geistlicher Assistent des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).