Meldung

Hedwigsempfang des Erzbistums

Hedwigsempfang im asisi Panorama Berlin
„30 Jahre nach dem Fall der Mauer. Welche Mauern drohen heute?“

Sehr geehrte Damen und Herren,

dieser Ort macht viele Erinnerungen lebendig. Wenn ich an dieser Stelle stehe, denke ich nicht 30 Jahre zurück, sondern 40, 50 oder 60 Jahre zurück. Viele Straße, Ecken, etc. sind mir vertraut. Ich habe sie im Ostteil erlebt, erlitten und war mittendrin. Den Blick über die Mauer (und in die Todesstreifen) kenne ich aus dem Fenster einer Straße an der Mauer, auch den Blick auf die Kirche im Westen.

Die Mauer hatte auch Lücken - zumindest vom Westen in Richtung Osten. Die Kirchen haben diese Lücken genutzt und vieles Verbindenes erlebbar werden lassen. Die Kontaktarbeit zwischen West- und Ost-Gemeinden in den verschiedenen Feldern kirchlicher Arbeit , der Jugendarbeit, der Gemeinden hat vieles getan und auch bewirkt. Dies ist eine große Leistung der Kirchen in Zeiten der Mauer, der Trennung, des Kalten Krieges. - Noch heute gibt es viele Freundschaften aus dieser Zeit. Die gesellschaftliche incl. politische Wirksamkeit wurde in der friedlichen Revolution deutlich.

Mit Hochachtung spreche ich den Menschen und den Kirchen großem Dank aus, allen, die diese mauerübergreifende Arbeit ermöglicht und mitgetragen haben.

Diese Arbeit war nicht einfach so geschehen und sie war nicht risikofrei. Manches kann man in den Akten der Stasi lesen. Ein Beispiel: anhand eines kirchlichen Mitarbeiters in Ost.

  • "Die (KK-)Erfassung (von Herrn X.) erfolgt zur Klärung des Charakters seiner Tätigkeit in der katholischen Kirche (speziell in der KSG) sowie die damit verbundenen möglichen Verbindungen ins NSW." (Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet)
  • "Die (Frau X) ist die Ehefrau des Leiters des Friedenskreises der KSG Berlin. Es wird geprüft, in welchen Umfang die (Frau X) (Streich) in Aktivitäten kath. Studenten mit eingezogen wird." - Es fallen mir weitere Erfahrungen ein, die auch Verwandte und Kinder in den  Blick nahmen.
  • 1986 heißt es dann: "(Herr x) hat eine verfestigte negative Grundhaltung zu den sozialistischen Verhältnissen in der DDR. Er unterhält vorwiegend Verbindung zu Personen, die wegen ihrer negativen und feindlichen Aktivitäten bearbeitet werden."

Anzumerken bleibt: Mauer- und Grenzüberschreitende Kontaktarbeit war nicht einfach. - Es gab auch zahlreiche Stasi-Vorgänge und Akten zu den Gesprächspersonen aus dem Westen. - Ohne dass ich jetzt daraus zitiere.

Dieser Ort ist ein bedeutsamer Ort zum Anschauen und Reflektieren. Es ist ein Lernort. - Auch im Jahr 2019 und darüber hinaus. Ich hoffe und wünsche, dass er auch ein Ort zum Austausch, zum Erzählen aus unseren Biographien ist und bleiben wird. Die Geschichte aus dem geteilten Deutschland ist weiterhin wichtig ausgetauscht zu werden. - Wir haben unterschiedliche gesellschaftliche und kulturelle Erfahrungen in West und Ost. Diese sollten wir anerkennen, aber keine Grenzen ziehen, keine Grenze der Vorurteile oder Abgrenzung.

Vor 32 Jahren starteten unter dem Leitwort: "Eine Hoffnung lernt gehen" die Ökumenischen Versammlungen in der DDR. Christinnen und Christen und ihre Kirchen haben die gesellschaftliche Situation und den biblischen Auftrag Ernst genommen und Taten folgenlassen: Gebete, Kerzen und Gespräche auf vielen Ebenen. - Wir müssen miteinander reden - dies ist auch heute eine Herausforderung für Politik, für Kirchen, für die ganze Gesellschaft.

Im Diözesanrat der Katholiken im Erzbisum Berlin - als die Vertretung der Christgläubigen und als Ansprechpartner in der Gesellschaft, - haben wir gefragt: In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Wir wissen, die "Veränderungen in unserer Gesellschaft und in der Welt erfordern eine verstärkte politische Auseinandersetzung." Dazu sind wir bereit.

So sage ich ein herzliches Danke allen, die sich in Politik und Gesellschaft engagieren. Danke für viele Begegnungen und für die Zusammenarbeit. Gerne werden wir diese fortsetzen. Dafür gibt es eine gute Basis: Im Beschluss des Diözesanrates heißt es:

"Für uns als Bürgerinnen und Bürger und als Christinnen und Christen steht die Würde jedes einzelnen Menschen im Zentrum unseres Denkens und Handelns. Diese Würde bildet das Fundament des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft."

Lassen Sie mich noch einige Aspekte aufgreifen:

  • Grenzen, Mauern abzubauen und mindestens durchlässiger werden zu lassen ist heute eine große Herausforderung, egal ob international, national, oder innerhalb der Gesellschaft, - sowohl zu Land, zu Wasser oder durch die Luft. - Mauern schotten ab, Mauern igeln ein. Mauern heute in Europa, innerhalb und an den Außengrenzen der EU sind keine Lösung.
  • Es dürfen nicht alte Gräben und Mauern neu aufgebaut oder überhaupt erst errichtet werden, weder gefühlsmäßig (z.B. auf Basis von Ängsten oder Einsamkeit) noch ideologisch ummäntelt (sei es durch Natonalismus, Rassismus oder Antisemitismus). - Heute feiern unsere jüdischen Geschwister das "Fest der Torafreunde" (Simchat Tora). Es schließt sich direkt an das Laubhüttenfest an. An diesem Tag endet der jährliche Lesezyklus der Tora. Wir wünschen einen guten Festtag.
  • Ein neues altes Thema: sind die Herausforderungen durch die Klimaentwicklung. Viele Menschen, besonders junge Menschen, sind besorgt und engagiert im Protest. Dies muss konkrete Folgen haben. Papst Franziskus hat in Laudato Si uns als Christinnen und Christen in die Pflicht genommen und allen die Bewahrung der Schöpfung besonders dringlich vor Augen geführt.
  • Beim Hedwigsempfang ist es naheliegen auch auf die Heilige Hedwig zu schauen. Von mir aus nur ein Blick: Die Hl. Hedwig kann uns ermutigen gerade auch im Deutsch-Polnischen-Verhältnis aktiv zu werden und damit natürlich auch Europa zu unterstützen.

In einer Zeitung las ich dieser Tage: " Die Gesellschaft hat sich verändert, driftet offenbar mehr und mehr auseinander. Die Kirchen wirken häufig still oder mit sich selbst beschäftigt. ..." - So sehr ich den ersten Satz teile, so hoffe ich, dass der 2. Satz nicht das letzte Wort ist. Und ich hoffe auf einen Austausch mit Ihnen.

Nun zum Schluss herzliche Worte des Dankes. Liebe Frau Ministerin Giffey, vielen Dank für Ihre Nachdenklichkeit, Ihre Anregungen, . Wir nehmen diese Gedanken mit in die Gremien des Erzbistums Berlin, incl. des Diözesanrates, in die Vielfalt unseres Erzbistums, dass Gebiete aus drei Bundesländern umfasst. Lieber Herr Gösmann, ein Gespräch lebt von der Lebendigkeit und der Sachbezogenheit der Teilnehmenden. Ein herzliches Danke für beides. Dank für die Musik an Akkordeonistin Barbara Klaus-Cosca.

Herzlichen Dank für Ihr heutiges Kommen und jetzt lade Sie im Namen aller Einladenden nun ein zur Begegnung und zum Austausch ein.